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Femizide in der Schweiz

In der Schweiz wird alle zwei Wochen eine Frau durch ihren Ehemann, Lebensgefährten, Ex-Partner, Bruder oder Sohn getötet.

Jede Woche überlebt eine Frau einen versuchten Femizid. Das berichtet das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann für das Jahr 2019. Frauen werden aber auch ausserhalb von Beziehungen Opfer von Femiziden. Statistiken beleuchten das «Hellfeld» der bekannt gewordenen Fälle von Gewalt und Tod, Dunkelziffer unbekannt. In der Schweiz gibt es keine offizielle Stelle, die Femizide aufzeichnet und eine Statistik über Tötungen aufgrund des Geschlechts führt.

Femizide sind keine Einzelfälle, sondern Resultat von struktureller Gewalt, deren Ausgangspunkt in den patriarchalen Machtverhältnissen unserer Gesellschaft liegt. Gewalt gegen Frauen wird noch oft als Privatsache behandelt, was sich am gesellschaftlichen Umgang damit ablesen lässt: Der Begriff Femizid ist in der Schweiz noch immer kein etablierter politischer Begriff. Seine Verwendung wurde im Sommer 2020 vom Ständerat erneut abgelehnt: Pläne zur Verwendung des Begriffs Femizid bestehen derzeit nicht.

Im Jahr 2023 rückte die Polizei im Kanton Zürich im Schnitt 20-mal pro Tag wegen familiärer Streitereien oder häuslicher Gewalt aus. Im Tessin waren es im Jahr 2018 drei Male am Tag. In Genf nahm die Kantonspolizei 2019 pro Tag fast zwei Anzeigen auf.

Doch über Gewalt und Femizide wird kaum berichtet. Und wenn, dann oft nur in Lokal- und Boulevardzeitungen, häufig beschrieben als «Familiendrama», als «Beziehungstragödie» – und als «Einzelfall».

Forschungsarbeiten am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht im deutschen Freiburg zeigen, dass ein toxisches Männlichkeitsbild eine Gemeinsamkeit aller Täter ist. Traditionelle Geschlechterrollen prägen Täter, weniger deren Nationalität, Herkunft und sozialer Status. Auch die Istanbul-Konvention bezeichnet traditionelle – und damit patriarchale – Geschlechterrollen als mitverantwortlich für die Gewalt gegen Frauen. Der völkerrechtliche Vertrag, der am 1. April 2018 in der Schweiz in Kraft getreten ist, hält explizit fest, dass häusliche Gewalt als Menschenrechtsverletzung verstanden werden muss.

Nach wie vor fehlt es in der Schweiz immer noch an Prävention und Aufklärung: Täter können eine lange Gewaltgeschichte haben; jeder weitere Femizid ist damit das Versagen gesellschaftlicher Kontrollmechanismen. Bei der Polizei, bei Gutachter’innen, bei der Justiz.

Um Gewalt gegen Frauen möglichst umfassend zu dokumentieren, zählen wir nicht nur Femizide in Folge häuslicher Gewalt, sondern auch die Femizide, in denen die Täter keine Beziehung zu den Opfern hatten, Fälle von rassistischen, homo-, transphoben und behindertenfeindlichen Motiven, und solche an Sexarbeiterinnen.

Femizide im Jahr 2024

5. Januar 2024, Allaman, Waadt. Die Frau wurde 46 Jahre alt.

15. Januar 2024, Wädenswil, Zürich. Die Frau wurde 56 Jahre alt.

Ende Januar 2024, tot aufgefunden im Rhein bei Laufen-Uhwiesen, Zürich. Die Frau wurde 27 Jahre alt.

13. Februar 2024, Binningen, Basel-Landschaft. Die Frau wurde 38 Jahre alt.

16. März 2024, Vevey, Waadt. Die Frau wurde 40 Jahre alt.

25. März 2024, Frauenfeld, Thurgau. Die Frau wurde 74 Jahre alt.

21. Mai 2024, Männedorf, Zürich. Das Alter der Frau ist nicht bekannt.

4. Juni 2024, Knonau, Zürich. Die Frau wurde 78 Jahre alt.

6. Juli 2024, Sursee, Luzern. Das Alter der Frau ist nicht bekannt.

28. Juli 2024, Vétroz, Wallis. Die Frau wurde 55 Jahre alt.

8. August 2024, Basel. Die Frau wurde 75 Jahre alt.

24. August 2024, Zürich. Die Frau wurde 38 Jahre alt.

6. September 2024, Effretikon, Zürich. Die Frau wurde 82 Jahre alt.

11. September 2024, Chiasso, Tessin. Die Frau wurde 40 Jahre alt.

6. Oktober 2024, Bülach, Zürich. Die Frau wurde 29 Jahre alt.

23. Oktober 2024, Ried-Brig, Wallis. Die Frau wurde 61 Jahre alt.

25. Oktober 2024, La Chaux-de-Fonds, Neuenburg. Die Frauen wurden 42 und 17 Jahre alt.

26. November 2024, Morbio Inferiore, Tessin. Die Frau wurde 65 Jahre alt.

27. November 2024, Basel. Die Frau wurde 94 Jahre alt.

3. Dezember 2024, Renens, Waadt. Die Frau wurde 61 Jahre alt.

Versuchte Femizide

24. November 2024, Le Locle, Neuenburg. Die Frau überlebt. Sie ist 33 Jahre alt.

Femizide im Jahr 2023

15. Februar 2023, Rupperswil, Aargau. Die Frau wurde 47 Jahre alt.

9. März 2023, Yverdon-les-Bains, Waadt. Die Frau wurde 40 Jahre, die Mädchen 13, 9 und 5 Jahre alt.

21. März 2023, Siders, Wallis. Die Frau wurde 79 Jahre alt.

24. März 2023, Vernier, Genf. Das Alter der Frau ist nicht bekannt.

26. März 2023, Dietikon, Zürich. Die Frau wurde 46 Jahre alt.

8. April 2023, Bellach, Solothurn. Das Alter der Frau ist nicht bekannt.

14. April 2023, Erlen, Thurgau. Die Frau wurde 39 Jahre alt.

26. Mai 2023, Vevey, Waadt. Die Frau wurde 37 Jahre alt.

27. Mai 2023, Lausanne, Waadt. Die Frau wurde 23 Jahre alt.

19. Juni 2023, Neuenburg. Die Frau wurde 78 Jahre alt.

25. Juni 2023, Lengnau, Bern. Die Frau wurde 54 Jahre alt.

4. Juli 2023, Penthaz, Waadt. Die Frau wurde 18 Jahre alt.

3. August 2023, Monthey, Wallis. Die Frau wurde 46 Jahre alt.

24. September 2023, Biel, Bern. Die Frau wurde 47 Jahre alt.

1. Oktober 2023, Embrach, Zürich. Die Frau wurde 30 Jahre alt.

11. November 2023, Richterswil, Zürich. Die Frau wurde 30 Jahre alt.

28. November 2023, Neuenburg, Neuenburg. Die Frau wurde 80 Jahre alt.

11. Dezember 2023, Sitten, Wallis. Die Frau wurde 36 Jahre alt.

Versuchte Femizide

14. März 2023, Windisch, Aargau. Die Frau überlebt. Sie ist 42 Jahre alt.

14. März 2023, Wetzikon, Zürich. Die Frau überlebt. Sie ist 38 Jahre alt.

3. April 2023, Birsfelden, Basel-Landschaft. Die Frau überlebt. Sie ist 40 Jahre alt.

11. November 2023, Siegershausen, Thurgau. Die Frau überlebt. Sie ist 43 Jahre alt.

Femizide im Jahr 2022

11. Februar 2022, Zürich. Die Frau wurde 54 Jahre alt.

27. Februar 2022, Ziefen, Basel-Landschaft. Die Frau wurde 60 Jahre alt.

12. März 2022, Rapperswil-Jona, St. Gallen. Die Frau wurde 32 Jahre alt.

5. April 2022, Hamburg, Deutschland. Ein 22-jähriger Schweizer tötet eine Frau.
Die Frau wurde 22 Jahre alt.

6. April 2022, Wallisellen, Zürich. Das Alter der Frau ist nicht bekannt.

11. April 2022, Avegno, Tessin. Die Frau wurde 61 Jahre alt.

24. April 2022, Büren an der Aare, Bern. Das Alter der Frau ist nicht bekannt.

22. Mai 2022, Siders, Wallis. Die Frau wurde 41 Jahre alt.

9. Juli 2022, Hochwald, Solothurn. Die Frau wurde 86 Jahre alt.

25. Juli 2022, Renens, Waadt. Die Frau wurde 31 Jahre alt.

8. September 2022, Elsau, Zürich. Die Frau wurde 54 Jahre alt.

14. September 2022, Rorschacherberg, St. Gallen. Die Frau wurde 56 Jahre alt.

25. September 2022, Bergdietikon, Aargau. Die Frau wurde 41 Jahre alt.

15. Oktober 2022, Vevey, Waadt. Die Frau wurde 60 Jahre alt.

23. November 2022, Altstetten, Zürich. Die Frau wurde 40 Jahre alt.

16. Dezember 2022, Kehrsatz, Bern. Die Frau wurde 29 Jahre alt.

Versuchte Femizide

29. Januar 2022, Emmenbrücke, Luzern. Die Frau überlebt. Sie ist 50 Jahre alt.

15. Februar 2022, La Chaux-de-Fonds, Neuenburg. Die Frau überlebt. Sie ist 52 Jahre alt.

21. Juli 2022, Winterthur, Zürich. Die Frau überlebt. Sie ist 29 Jahre alt.

25. Juli 2022, Stabio, Tessin. Die Frau überlebt. Sie ist 45 Jahre alt.

20. Oktober 2022, Areuse, Neuenburg. Die Frau überlebt. Sie ist 48 Jahre alt.

Femizide im Jahr 2021

12. Januar 2021, Breitenbach, Solothurn. Die Frau wurde 90 Jahre alt.

17. Januar 2021, Gunten, Bern. Die Frau wurde 31 Jahre alt.

8. Februar 2021, Basel. Die Frau wurde 39 Jahre alt.

16. Februar 2021, Winterthur, Zürich. Die Frau wurde 32 Jahre alt.

23. Februar 2021, Buchs, St. Gallen. Die Frau wurde 22 Jahre alt.

23. Februar 2021, Wilchingen, Schaffhausen. Die Frau wurde 80 Jahre alt.

8. März 2021, Breganzona, Tessin. Die Frau wurde 77 Jahre alt.

12. März 2021, Schafisheim, Aargau. Die Frau wurde 44 Jahre alt.

15. März 2021, Aeugst am Albis, Zürich. Die Frau wurde 77 Jahre alt.

19. März 2021, Bussigny, Waadt. Das Alter der Frau ist nicht bekannt.

28. März 2021, Bellinzona, Tessin. Die Frau wurde 44 Jahre alt.

17. April 2021, Malleray, Bern. Die Frau wurde 87 Jahre alt.

22. April 2021, Peseux, Neuenburg. Die Frau wurde 34 Jahre alt.

1. Juni 2021, Oberbüren, St. Gallen. Die Frau wurde 31 Jahre alt.

13. Juni 2021, Leukerbad, Wallis. Die Frau wurde 54 Jahre alt.

5. Juli 2021, Châtelaine, Genf. Die Frau wurde 58 Jahre alt.

8. Juli 2021, Terrebasse, Frankreich. Ein 50-jähriger Schweizer tötet seine Partnerin. Die Frau wurde 49 Jahre alt.

11. Juli 2021, Emmenbrücke, Luzern. Die Frau wurde 29 Jahre alt.

20. Juli 2021, Beringen, Schaffhausen. Die Frau wurde 57 Jahre alt.

5. August 2021, Phuket, Thailand. Eine Schweizerin wird in ihren Ferien getötet. Die Frau wurde 57 Jahre alt.

12. August 2021, Ostermundingen, Bern. Die Frau wurde 20 Jahre alt.

13. Oktober 2021, Zürich. Die Frau wurde 30 Jahre alt.

16. Oktober 2021, Netstal, Glarus. Die Frau wurde 30 Jahre alt.

18. Oktober 2021, Rapperswil-Jona, St. Gallen. Das Mädchen wurde 12 Jahre alt.

21. Oktober 2021, Vandœuvres, Genf. Die Frau wurde 58 Jahre alt.

16. Dezember 2021, Chêne-Bougeries, Genf. Die Frau wurde 47 Jahre alt.


Versuchte Femizide

5. Februar 2021, Recherswil, Solothurn. Beide Frauen überleben.

25. Februar 2021, Otelfingen, Zürich. Die Frau überlebt. Sie ist 38 Jahre alt.

6. Juni 2021, Solothurn, Solothurn. Die Frau überlebt.

12. Juni 2021, Dübendorf, Zürich. Die Frau überlebt. Sie ist 58 Jahre alt.

11. Juli 2021, Muttenz, Basel-Landschaft. Die Frau überlebt. Sie ist 25 Jahre alt.

10. September 2021, Erlinsbach, Aargau. Die Frau überlebt. Sie ist 60 Jahre alt.

28. September 2021, Buchs, St. Gallen. Beide überleben. Die Frau ist 39, das Mädchen 16 Jahre alt.

2. Oktober 2021, Olten, Solothurn. Die Frau überlebt.

21. Oktober 2021, Locarno, Tessin. Die Frau überlebt. Sie ist 22 Jahre alt.

9. Dezember 2021, Emmen, Luzern. Die Frau überlebt. Sie ist 35 Jahre alt.

17. Dezember 2021, Wittigkofen, Bern. Die Frau überlebt.


Femizide im Jahr 2020

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1. Januar 2020, Monthey, Wallis. Die Frau wurde 40 Jahre alt.

26. Januar 2020, Genf. Die Frau wurde 55 Jahre alt.

3. März 2020, Hombrechtikon, Zürich. Die Frau wurde 44 Jahre alt.

18. März 2020, Oey-Diemtigen, Bern. Die Frau wurde 31 Jahre alt.

2. April 2020, Emmenbrücke, Luzern. Die Frau wurde 59 Jahre alt.

15. April 2020, Meierskappel, Luzern. Die Frau wurde 85 Jahre alt.

16. Mai 2020, Wangen bei Olten, Solothurn. Die Frau wurde 30 Jahre alt.

17. Mai 2020, Giubiasco, Tessin. Die Frau wurde 47 Jahre alt.

14. Juni 2020, Emmenbrücke, Luzern. Die Frau wurde 47 Jahre alt.

20. Juni 2020, Pratteln, Basel-Land. Die Frau wurde 24 Jahre alt.

24. August 2020, Montreux, Waadt. Die Frau wurde 23 Jahre alt.

2. September 2020, St. Gallen. Die Frau wurde 46 Jahre alt.

21. September 2020, Wiesendangen, Zürich. Die Frau wurde 78 Jahre alt.

4. November 2020, Riggisberg, Bern. Das Alter der Frau ist nicht bekannt.

25. Dezember 2020, Bolligen, Bern. Das Alter der Frau ist nicht bekannt.

30. Dezember 2020, Kosovo. Ein Mann aus Villeneuve, Waadt, tötet seine Frau und die zwei Söhne in den Ferien im Kosovo. Die Frau wurde 48 Jahre alt.

Versuchte Femizide

18. August 2020, Sattel, Schwyz. Die Frau überlebt. Sie ist 28 Jahre alt.

5. September 2020, Nussbaumen, Aargau. Die Frau überlebt. Sie ist 53 Jahre alt.

3. Oktober 2020, Rombach, Aargau. Die Frau überlebt. Sie ist 34 Jahre alt.

29. Oktober, Prilly, Waadt. Die Frau überlebt. Sie ist 42 Jahre alt.

29. November 2020, Banwald in Olten. Die junge Frau überlebt. Sie ist 14 Jahre alt.

Wir versuchen, jede Tat zu dokumentieren. Wir wissen: Die Liste ist unvollständig.


Über Femizide berichten
– und mithelfen, sie zu verhindern

Medien tragen eine grosse Verantwortung dabei, wie sie über Gewalt an Frauen und Femizide berichten und sie darstellen. Tun sie es sorgfältig, ist das bereits Prävention.

Berichterstattung bei Gewalt an Frauen und Femiziden ist noch immer häufig täterfokussiert, d.h. eher aus der Perspektive eines Täters als eines Opfers oder den Hinterbliebenen verfasst: voll mit verharmlosenden Begrifflichkeiten, Rechtfertigungen und mit dem Täter sympathisierenden Ausdrücken, die einen potentiellen Täter wiederum dazu veranlassen können, das Geschriebene für sich selbst auszulegen.

Eine achtsame Berichterstattung vermeidet unter allen Umständen, Hinterbliebene zu retraumatisieren und potentielle Täter anzustacheln. Damit dies gelingt, können folgende Denkanstösse zuhilfe gezogen werden.

  • Umdenken lernen Für wen schreiben Sie den Text? Prävention und Aufklärung sind wichtig, nicht Sympathie und Verständnis für den Täter. Mit der Berichterstattung sollen weitere Gewalttaten vermieden werden. Immer auf Hilfsmöglichkeiten für Betroffene hinweisen.

  • Präzise benennen Ein Täter trägt für seine Tat Verantwortung. Er hat sich dafür entschieden, das Leben eines Gegenübers nicht zu respektieren. Das Delikt ist ein Verbrechen und hat weder mit Liebe noch mit Sexualität zu tun, sondern mit Macht. Es soll so benannt und, wenn überhaupt, auch so beschrieben werden: Sachlich, nicht heroisiert und romantisiert. Detaillierte Tatbeschreibungen sind fehl am Platz, sie bedienen ein voyeuristisches Publikum und stacheln potentielle Täter eher an, als sie von einer Tat abzuhalten.

  • In Struktur einordnen Die Gewalt kontextualisieren und in einen grösseren Rahmen einordnen. Gewalt an Frauen hat strukturelle Ursachen und soll deshalb nicht als «Einzelfall» oder «privates Problem» beschrieben werden.

  • Weder Bilder noch Namen Keine verpixelten Bilder des Opfers. Kein Bild des Täters mit schwarzen Balken über dem Gesicht, keine Äusserungen von ihm oder seinem Umfeld. Wenn es um jemanden geht, dann um das Opfer. Gerade das Opfer hat ein Recht auf Wahrung der Privatsphäre.

  • Keine Darstellung von Gewalt Gewalt an Frauen ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Es ist fahrlässig, sie mit Bildern darstellen zu wollen. Gewaltbetroffene Frauen und Hinterbliebene kann es traumatisieren, potentielle Täter kann es in ihrer Entscheidung für die Gewaltanwendung stabilisieren.

  • Das Opfer steht im Mittelpunkt Wenn überhaupt, beziehen sich die einzigen personenbezogenen Angaben auf das Opfer. Die Tat definiert das Opfer aber nicht. Das Opfer war ein Mensch mit Zielen und Hoffnungen, und hat ein Recht auf unser Mitgefühl.

  • Recht auf Trauern Es leben noch immer Menschen, die mit dem Opfer eng verbunden waren. Sie haben ein Recht darauf, geschützt zu werden und trauern zu dürfen. Eine achtsame Berichterstattung vermeidet eine mögliche Retraumatisierung der Hinterbliebenen.

  • Keine Interpretationen Rechtfertigungen, das Suchen von Gründen oÄ sind fehl am Platz. Erklärungsversuche für das Handeln des Täters verharmlosen die Tat. Es können immer nur Spekulationen sein, und sie resultieren selbst häufig aus einer misogynen und täter-sympathischen Einstellung der Schreibenden.

  • Queer-feministische Forschung anwenden Frauen, queere und nicht-binäre Menschen sind in unserer Gesellschaft von Diskriminierung betroffen. Sie erleben mehrfache Diskriminierung, wenn sie Schwarz oder be_hindert sind oder prekär leben oder wegen ihrer Arbeit stigmatisiert werden. Frauen wird Gewalt angetan, weil sie Frauen sind – auch, wenn sie zusätzlich diskriminiert werden. Das schliesst einander nicht aus, sondern muss intersektional gedacht werden. Gewalt an Frauen hat System, sie ist Ausdruck einer misogynen Gesellschaft. Dieser Komplexität ist möglichst gerecht zu werden.

  • Zeigen, was auch möglich ist Viele Menschen kennen in herausfordernden Situationen Gewaltfantasien, und viele schaffen es, sie niemals umzusetzen. Gerade für junge Männer ist es wichtig, das zu lernen – auch durch die Medien.

  • Andere Geschichten schreiben Keine Artikel über Gewalt an Frauen veröffentlichen, wenn sie bloss Clickbait dienen. Frauen und ihre Geschichten und Körper sind kein öffentliches Gut, und dienen auch nicht der öffentlichen Unterhaltung.

 

Wie wir recherchieren

Wir lesen Lokal- und Boulevardzeitungen, achten auch auf Kurzmeldungen, die oftmals als Randnotiz in den Ressorts Panorama erscheinen. Wir haben Google Alerts angelegt, die uns auf Beiträge im Netz hinweisen. Dazu erhalten wir täglich eine Übersicht an Polizeirapporten, die wir durchforsten. Wir gleichen unsere Recherchen mit den Statistiken des Bundes, von Eurostat und der Uno ab. Und wir tauschen uns mit Expertinnen und feministischen Kollektiven aus.

 

Zu unserem Sprachgebrauch

Wir finden es wichtig, den Begriff Femizid zu verwenden. Der hat eine lange politische Geschichte und verbindet die Anliegen vieler feministischer Kämpfe: Nicht Eine Weniger (Ni una Menos). Es ist ebenfalls notwendig, anzuerkennen, dass die meisten Opfer von Femiziden trans und cis Frauen, also Frauen, sind.

Gleichzeitig möchten wir unser Rechercheprojekt so inklusiv wie möglich gestalten. Wir zählen als Femizid also auch, wenn eine Person fälschlicherweise als Frau gelesen wird, aber keine ist. So möchten wir versuchen, nicht binäre Menschen einzuschliessen.

Über Anregungen, wie wir es besser machen können, sind wir jederzeit dankbar.


Hinter der Recherche

Die Psychologinnen Angela Guldimann und Elmar Habermeyer haben 2019 den Gastbeitrag «Wer sorgfältig schreibt, kann Leben retten» für den Tages-Anzeiger verfasst. Aus deren Arbeit leiten wir die Denkanstösse für die Recherche über Femizide ab.

Die Dachorganisation der österreichischen Frauenhäuser hat einen Leitfaden herausgegeben, wie sorgfältig über Gewalt berichtet werden kann: «Gewaltfrei leben. Verantwortungsvolle Berichterstattung für ein gewaltfreies Leben»

Amadeu-Antonio-Stiftung: «Antifeminismus – ein zentraler Bestandteil rechtsextremer Ideologie». Leipzig, 2020.

Merle Dyroff, Marlene Pardeller, Alex Wischnewski: «#keinemehr. Femizide in Deutschland». Rosa-Luxemburg-Stiftung, 2020.

Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung und Center for Intersectional Justice: «Reach everyone on the planet.. «Kimberlé Crenshaw und die Intersektionalität.» Berlin 2019.

Das Transgender Network Switzerland (TGNS) setzt sich ein für «eine fundierte und differenzierte Berichterstattung über trans Menschen, über deren negative und positive Lebensrealitäten unterstützt den Abbau von Vorurteilen und Ängsten und hilft Diskriminierung entgegen zu wirken. Ihre Arbeit kann damit sowohl für uns als auch für die Gesellschaft ein Gewinn sein.» Mehr im Leitfaden des Transgender Network Switzerland: der Medienguide

Bücher, die wir auf Deutsch gelesen haben

Christina Clemm: «AktenEinsicht. Geschichten von Frauen und Gewalt». Verlag Antje Kunstmann, 2020

Jan Gysi und Peter Rüegger (Hrsg.): «Handbuch sexualisierte Gewalt. Therapie, Prävention und Strafverfolgung». Hogrefe, 2018

Susanne Kaiser: «Politische Männlichkeit». Suhrkamp. Berlin 2020

Mithu M. Sanyal: «Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens». Edition Nautilus, Hamburg 2016

Tanja Kollodzieyski: «Ableismus». Berlin 2020

Bücher auf Englisch, die wir empfehlen

Caroline Criado Perez: «Invisible Women. Data Bias in a World designed for Men». Abrams Press. New York, 2019.

Catherine D’Ignazio und Lauren F. Klein: «Datafeminism». MIT Press, 2020

Dr. Jessica Taylor: «Why Women Are Blamed for everything. Exploring Victim Blaming of Women subjected to Violence and Trauma». 2020

Veronique N. Valliere: «Understanding Victims of Interpersonal Violence. A Guide for Investigators and Prosecutors». Routledge, Newy York und London, 2020